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Ticino 2022

Aktualisiert: 26. Apr. 2022

'Ob wir es in Worten tun, im Ton, im Holz, in der Musik, immer schreiben wir nur die neuen Phasen unserer Reife auf.'

Aus dem Tagebuch von Georgette Tentori-Klein, 1949


Seit Mitte Februar bin ich wieder hier. Das gleiche Haus, das gleiche Zimmer und fast die gleiche Zeit wie vor 2 Jahren. Wieder gibt es Katastrophenmeldungen durch die Drähte zu meinem PC und vor mein Auge.

Die Natur reckt sich langsam aus dem Winterschlaf. Die Knospen der Bäume warten darauf, dass sie sich öffnen können, um die Welt um mich herum in ein grünes Kleid zu hüllen. Das Kleid des Lebens.


Hier oben, von der fast höchsten Bebauung des Hügels, erlebe ich die Weite und das Wunder.

Von weiß über braun zu grün.

Mein Blick schärft sich, meine Sinne werden zart. Meine Muskeln spannen sich.

Ich habe Vieles von mir zuhause gelassen und doch fast alles mitgenommen.


Ohne dass ich es ahnen konnte bin ich hier in eine Art des Lebens gekommen, die ich so schmerzlich vermisste. Alle (!) Maßnahmen bezüglich Corona wurden in der Schweiz aufgehoben. Ich merke wie so viel Last von mir dadurch abgefallen ist, wie sehr mich die ständig wechselnden Verordnungen des Alltaglebens in Deutschland drückte.

Es ist unglaublich schön die Menschen wieder lächeln zu sehen, ihre ganzen Gesichter zu sehen, freundlich grüßend mit einem 'buona giornata' auf den Lippen in ein Café laufen zu können.

Aufatmen, loslassen und arbeiten.


Im Vorfeld für 5 Wochen zu packen fiel mir schwer. Was würde ich machen? Soviel uneingeschränkt Zeit zu haben für ein Projekt ist Luxus und auch Verantwortung.

Gerne hätte ich ein Objekt gebaut, aber alles war störrisch: das Wetter, das Material und meine Hände. Ich verwarf. Fand keine Lösungen.

So riss ich Bahnen aus Stoff, weil ich an ein Buch aus Stoff dachte. Es sollte zu blättern sein. Durch die Entdeckung der Maria Lai bekam ich einen Duft in die Nase, den das Ergebnis haben sollte. Es war der Duft von Kaffee und Nostalgie. Ich begann und mich packte das Interesse an den Bildern, an den Sticktechniken, an dem Materialienmix. Ich sprang morgens aus dem Bett und fiel abends erledigt hinein. Tag um Tag. Anstrengung und Glück.

Es gab keinen Plan, aber er entwickelte sich.

Es wurde ein Leporello.

Es wurde die 'Illustration' zu einem der Lieblingssprüche meiner Mutter,

welcher mir erst vor ein paar Jahren wieder in den Sinn kam.


'Und wenn Du denkst es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her.'


Erste Seite 'und wenn'....



Barbengo, März 2022

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